… das Schreckgespenst
Mit den Referenzen ist das ja immer so eine Sache. Gut, wer (noch) keine hat, braucht sich darüber keinen Kopf zu machen. Aber kürzlich ist es mir wieder wie Schuppen von den Augen gefallen. Was war passiert?
Vor einigen Tagen rief ein Kunde bei mir an. Wir sind, wie man so sagt, sehr dicke miteinander und duzen uns. Ein Teil des Telefonats verlief ungefähr so:
Kunde: »Du sag’ mal Olli. Firma Soundso hat ein neues Firmenlogo.«
Ich: »Jo.«
Kunde: »Hm, ja, ähem, war das nicht Dein Kunde?«
Ich: »Ja, stimmt. Ich habe für Soundso eigentlich alles gemacht. Klasse Anzeigenserie. Hat denen in der Sauren-Gurken-Zeit erstmalig Gewinne eingefahren. Aber wie das so oft ist. Erst macht man die Kunden bekannt, dann werden sie von Agenturen wahrgenommen und umgarnt und dann sind sie weg. Schade, aber so ist das manchmal.«
Kunde: »Na, da bin ich aber beruhigt.«
Ich: »Beruhigt? Wieso das denn?«
Kunde: »Na, ich wollte einfach nicht glauben, daß dieses schreckliche Logo von Dir sein soll!«
Ich: »Um Gottes Willen, nein! – Das alte Logo war schon gruselig, hatte aber wenigstens Wiedererkennungswert. Das Neue? Naja. Damit haben sie sich leider keinen Gefallen getan. Aber vielen Dank, daß Du mir das NICHT zugetraut hast!«
Dieses Gespräch wird wohl eher selten vorkommen. Will sagen, in den wenigsten Fällen wird man wohl zu hören bekommen, was andere von einem denken, welche Arbeiten oder Kunden sie mit einem verbinden, bzw. ob sie überhaupt richtig zuordnen. Insofern wirft das bei mir die immerwährende Frage auf:
Referenzen angeben, Arbeitsproben zeigen? – Ja oder Nein?
Vieles spricht dafür, mindestens einiges dagegen. Ich behaupte sogar, für jedes Pro gibt es auch ein Kontra. Vielleicht liest ja die Eine oder der Andere mit? Dann würde ich mich über Argumente freuen.
Eines zeigt übrigens diese kleine Begebenheit. Wichtig war nicht die Referenz des alten Kunden, sondern die Offenheit dieses Anrufers und sein Vertrauen und Wissen um unsere gute Arbeit ist Gold wert. Eine bessere Empfehlung kann es gar nicht geben.
Weitere Empfehlungen von Kunden sind übrigens hier versteckt: stärken verbündeln
Sonnigen Gruß vom verschollenen Elbstrand
Oliver Schuh | agd | die gebrauchsgrafiker
Permalink
Hallo Herr Schuh,
die wirklich wertvollen Referenzen kursieren oft in einem “Tunnelsystem” – selbst kriegt man das am Ende der Konversationskette erst so richtig mit. Empfehlungen – nichts anderes sind Referenzen – können selten gesteuert werden, da sie ein Eigenleben führen. Im Guten wie im Schlechten natürlich. Dass Sie über diesen Umweg die Wertschätzung für Ihre Arbeit erfahren, ist wirklich ein schönes Erlebnis.
Grüße,
Volker Remy
Permalink
Genau so ist es, vielen Dank und hallo Herr Remy,
was nützen Referenzlisten, wenn man nicht weiß, was genau oder wann es für diesen Kunden getan wurde?
Was sagen Arbeitsproben aus, wenn man nicht weiß was die Zielsetzung, wie hoch das Budget war oder welches Material vorgelegen hat?
Damit das klar ist. Ich will nicht auf die Patentlösung hinaus, noch habe ich sie. Nein, ich denke nur gerade laut, sozusagen.
Man stelle sich vor: Potenzieller Auftraggeber, z.B. ein Lebensmittelhersteller von Sauerkonserven sucht versierte Grafiker die Salesfolder entwickeln und gestalten und findet in unserer Referenzliste den Wettbewerber Carl Kühne. Sicher wird er unsere Kompetenz erkennen, aber wird er uns beauftragen? Schließlich bedienen wir seine Konkurrenz. (Oder besser, ich tat es.) Oder wird er uns gerade deshalb beauftragen, weil wir die Branche kennen? Man weiß es nicht so genau.
Tschüssing vom verschneiten Elbstrand
Oliver Schuh | agd | die gebrauchsgrafiker
Permalink
Neues vom Schreckgespenst Referenz. ;-)
Neulich passiert.
Nun mag ich in der Regel nicht unbedingt in der Öffentlichkeit über anderer Kollegen Arbeiten urteilen. Die Begebenheit passt aber wunderbar zu meinem Thema Referenzen. Und so will ich sie mal völlig ohne Namen und Links erzählen. Was war passiert?
Eine angesehene Designerin engagiert sich für ein internationales Designprojekt. Federführend ist sie für die Gestaltung und Umsetzung einer Broschüre verantwortlich. So steht es im Impressum und so verbreitet sie es auch selbst. Tja, und jetzt kommt es. Die »Fachwelt« ist doch einigermaßen erstaunt über das Ergebnis und äußert Kritik. Resultat der Kritik: Die Designerin »rechtfertigt« sich, daß sie Vorgaben bzgl. Corporate Design, Fotomaterial, etc. hatte, an denen sie nicht rütteln konnte. Sie selbst war nicht begeistert von den Möglichkeiten, betrachtet allerdings das Ergebnis im Hinblick auf die mangelnden Vorraussetzungen als gelungen.
Nur, wer hat denn diese Hintergrundinformationen, wenn er diese Broschüre als Referenz sieht? – Eben.
Ich bin gespannt auf weitere Erkenntnisse. ;-)
Tschüssing vom Elbstrand
Oliver Schuh | agd | die gebrauchsgrafiker
Permalink
Hallo Oliver,
Referenzen sind schön und gut, allerdings auch nicht unproblematisch. Wenn man Referenzen nennt, so sollte man sehr darauf achten, dass man genau definiert, welchen Anteil man an welcher Arbeit hatte, sonst schmückt man sich unter Umständen mit fremden Federn. Das kann dann auch mal zu unschönen Abmahnungen führen.
Gerade auf Internet-Präsenzen von Freelancern habe ich schon oft Referenzen gesehen, die mich staunen ließen. Gerade bei namhaften Marken kommt es vor, dass neben der Lead-Agentur auch andere Agenturen für sie arbeiten. Ist ein Freelancer von einer solchen Agentur gebucht, ist es natürlich problematisch, wenn der dann diese Marke als Referenz angibt. Meiner Meinung nach sollte immer der eigentliche Auftraggeber und der eigene Anteil an einer Arbeit klar beschrieben sein.
Beste Grüße
Dirk
Permalink
Absolut auf dem Punkt, lieber Dirk.
Die ersten Beispiele haben ja eher gezeigt, welche Problematik entstehen kann, ohne eigenen großen Einfluß darauf zu haben. Dein Beispiel – und man möchte ja manchmal meinen, daß jeder, der Photo Shop ausschreiben kann, schon mal auf dem berühmten »BMW-Etat« saß – zeigt ja sogar eher den Vorsatz.
Da halten wir es lieber mit unserem Credo: »Transparenz schafft Akzeptanz«
Schönen Gruß und besten Dank
Oliver