die gebrauchsgrafiker | der blog

»transparenz schafft akzeptanz«

Die Hamburg Kreativ Gesellschaft hatte zum 8. Dezember 2017 unter dem Motto »Kennenlern- und Vernetzungstreffen« die Interessenvertretungen der verschiedenen Teilmärkte der hamburger Kreativwirtschaft eingeladen.

Und eine beachtliche Anzahl Kreativer aller Coleur kamen und vertraten Ihre Vereine, Verbände, Institutionen oder Interessengemeinschaften. Wenn ich richtig gezählt habe, nahmen insgesamt 33 engagierte Abgesandte die Einladung an. Darunter Vertreter aus den Bereichen Bildende Kunst, Film, Games/Software, Musik, Presse, Theater/Tanz, Werbung, Fotografie und eben auch Design.

Als stellvertretendes Präsidiumsmitglied des BDG · Berufsverband der Deutschen Kommunikationsdesigner e.V. folgte ich der Einladung sehr gern und war angenehm verblüfft, ob der großen Resonanz. Allerdings war allein die Vorstellungsrunde schon so ausgeweitet, daß kaum Raum zum echten Kennenlernen war. Einige Vertreter und Vertreterinnen haben sich und Ihre Verbände doch sehr detailliert vorgestellt – hier hätte ich mir ein Kurz und Knapp gewünscht, denn Mitglieder waren hier nicht zu generieren.

Apropos Kurz und Knapp: ich habe der Hamburg Kreativ Gesellschaft ein Wegeleitsystem empfohlen. ;-)

Aus meiner Sicht angenehm pointiert hat sich Dr. Carsten Brosda, Senator der Behörde für Kultur und Medien, zur Lage der Kreativwirtschaft in Hamburg geäußert, der unter dem Strich den Akteuren empfiehlt gemeinsame Schnittmengen/Ziele/Forderungen/Wünsche zu formulieren, um diese dann gebündelt vorzutragen. In der folgenden Gesprächsrunde wurde dann auch sehr deutlich, was er meinte. Die geäußerten »Forderungen« an die Hansestadt waren doch sehr unterschiedlich, teils sehr unspezifisch und zu einer handfesten Schnittmenge kam es in der Kürze dann eben auch NOCH nicht.

Denn einig waren sich aber alle darüber, daß diese Initiative der Hamburg Kreativ Gesellschaft fortgeführt werden soll. Im nächsten Schritt sollen/können alle Vertreter zwei bis drei Themen formulieren, bei denen Nachholbedarf besteht, bzw. bei denen die Hansestadt Hamburg der Kreativwirtschaft helfend zur Seite stehen kann.

Viel zu kurz kam mir ein anschließender gemütlicher Teil. Genauer gesagt, es gab keine kleine gemütliche Runde. Immerhin, ich konnte zwischen Tür und Angel noch im Small-Talk meine vermissten Themen bei Claudia Wondratschke und Inga Wellmann anbringen. Letztere, Referatsleiterin Kunst und Kreativwirtschaft der Hansestadt Hamburg, konnte mich positiv überraschen. Denn die, meiner Ansicht nach, mangelnde Betriebswirtschaftliche Ausbildung in kreativen Studiengängen, ist offenbar seit kurzem ganz offiziell Thema.

Ich trete gerne offene Türen ein und vertiefe ebenso gern, bei nächster Gelegenheit, relevante Themen zur Förderung und Sicherung existenzieller Rahmenbedingungen für Kommunikationsdesigner und benachbarter, kreativer Gewerke.

Die Macht der Farbe

Irgendwo hier im Blog habe ich bereits über meine Vorgehensweise beim Entwurf von Signets sinniert. Erst die Form, dann klappt es auch mit der Farbe oder so ähnlich. – Ah, hier, gefunden: Stimmt die Form, klappt’s auch mit der Farbe.

Die Wirkung der Farbe entfaltet sich umgekehrt immer dann, wenn es auf die Form nicht ankommt. Oder fast nicht. Denn in dieser schönen Begebenheit, die zeigt, wie wunderbar einfach Wiedererkennungswert herzustellen ist, ist die Form eine Jacke – genauer gesagt, eine Trainingsjacke.

Und Trainingsjacken findet man meist in Sportvereinen oder auf Camping-Plätzen. Und darum zitiere ich mal aus unserem hiesigen Sportverein TSV Stelle, genauer, der Fußballabteilung:

»Möge die Jacke mit Dir sein!

TSV Stelle Jackenträger: Oliver Schuh | Janaina

… Eines Abends um Himmelfahrt 2017 herum, finden sich Freunde, Ihre Kinder und deren Freunde und selbstverständlich meine Familie auf unserem Lieblingscampingplatz an der Ostsee ein, um zünftig unter freiem Himmel zu grillen. Die Freunde der Kinder hat man bereits oberflächlich kennengelernt, aber zuvor noch nie gesehen.

Da sich nun alle an der Camping-Tafel eingefunden hatten, stach mir am Ende des Tisches eine mittelblaue JAKO Trainingsjacke in die Augen. Sofort deutete ich Janaina, Trägerin dieser Jacke, sich doch bitte mal umzudrehen. Alle waren sichtlich erstaunt. Und ich erst. Prangte doch in großen Lettern das »TSV Stelle« auf ihrem Rücken!

Sofort folgten die Fragen, wieso, warum, weshalb und sowieso. Heraus kam, daß Janaina bereits vor einigen Jahren beim TSV Stelle Fußball gespielt hatte. Und zwar im Jahrgang 2003, meiner aktuellen U15 Mannschaft! – Zufall? Schicksal? Oder geplant? – Irgendwie wohl alles. Sofort lud ich sie ein sich doch mal unser Training anzuschauen. Ehrlich gesagt ohne große Hoffnung. Umso freudiger die spontane und offenbar völlig selbstverständlich Antwort: »ja, klar!« – Klasse! …« Die ganze Anekdote gibt es hier.

Natürlich ist es nicht ganz richtig, wenn ich eingangs schrubbte, es käme in diesem Falle nicht auf die Form an. Im Grunde ist die Jacke die Form. Noch genauer, die Jacke ist der Kontext. Hätte Janaina also eine Handtasche in diesem Blau gehalten, würde kein Otto-Normalverbraucher die Brücke zur Fußballabteilung des TSV Stelle schlagen. Noch dazu gab es auch sonst kaum Kenntnisse oder Hinweise auf eine Verbindung. Zugegeben, nun bin ich doppelt involviert. Einmal als Trainer und dann als Gestalter, der eben auf solche Wiedererkennbarkeit Wert legt und entsprechende Antennen aufweist.

Streng genommen wird die Wiedererkennung durch eine weitere »Farbe« unterstrichen: Weiß. Der weiße Schriftzug »TSV Stelle« auf der Rückseite ist zwar nichts Besonderes, bzw. bietet sich an, würde aber z.B. in schwarz vermutlich nicht eindeutig auf unsere Fußballabteilung hinweisen.

Als Gebrauchsgrafiker treibe ich es dann ja auch auf die Spitze. Das Blau der Jacke, das Weiß des Vereinsschriftzuges und drunter das Gelb des Sponsors. Und für den, der weiß, daß die Farben der Fußballabteilung Blau und Gelb sind, schließt sich der Farb-Kreis. Ein wirklich rundes Bild ergibt sich dann durch die Typografie. Insofern kommt dann im Detail doch wieder die Form ins Spiel. Immerhin. Mittlerweile zieht sich diese Kombination durch Trikots, Trainingsanzüge, Website, Facebook und Plakate.

Es liegt aber auch in der Natur eines ehrenamtlich geführten Vereins, daß jeder engagierte Trainer, jeder Verantwortliche, jeder Sponsor so seine eigenen Vorstellungen verwirklicht haben will. Obwohl, manchesmal ist es in Unternehmen nicht anders und so wird völlig ohne Not die Wiedererkennbarkeit untergraben.

… für Nachhaltigkeit im Design

Genau genommen, vollzog sich dieser Akt schon auf der BDG Präsidiumssitzung in Weimar, Ende 2015. Schließlich habe ich mich u.a. mit diesem Päckchen im Koffer auch zum BDG Präsidiumsmitglied wählen lassen. Also, mit einem ganz klaren Thema: Nachhaltigkeit im Design. Nun kommen die Weihen auch ganz analog, schwarz auf weiß und erinnern mich daran ein wenig Dampf zu machen.

bdg berufung | foto | oliver schuh

bdg berufung | foto | oliver schuh

So hat sich denn auch auf der letzten BDG Präsidiumssitzung in Hamburg ein Arbeitskreis aus den Präsidiumskolleginnen Leonie Altendorf (Wuppertal), Janina Lermer (München) und meiner Wenigkeit (Hamburg) gebildet. Schnell wird klar, die Position des Verbandes zum Thema Nachhaltigkeit zu erarbeiten ist so einfach, wie komplex. Wie man an meiner These »Gutes Design ist nachhaltig« aus dem Jahre 2011 ablesen kann. Ich bin sehr zuversichtlich, daß wir in diesem Team einen guten Beitrag erarbeiten und leisten werden.

Ich bin sehr gespannt auf die Zusammenarbeit und bedanke mich für das Vertrauen insbesondere bei Dorothea Schwabe, Leiterin des Referats Design, die mich schließlich berufen hat.

Das Bestiarium

Schubladendenken vom Feinsten

Kaum hatte ich meinen letzten Beitrag für ein sinnvolles und entspanntes Schubladendenken verfasst, kam mir das kleine, aber feine Büchlein »Das Bestiarium« von Jakob Maser in die Finger. Und nein, ich bin weder Ghostwriter noch Co-Autor dieses Werkes, wie man fast meinen könnte. Es ist der pure Zufall, daß dieses Buch auf geradezu wunderbare Weise meinen Blogbeitrag bestätigt. Einerseits. Und andererseits.

das bestiarium | werkstoff verlag

das bestiarium | foto | oliver schuh

Die Kategorisierung von »Unternehmenstypen im Kommunikationsdesign« nach SWOT Analyse lies mich sofort Stift und Block zücken, um mich gegebenenfalls gleich selbst einsortieren zu können. Am Ende des Buches war allerdings auch wieder klar, so ganz ordentlich passe ich dann doch nicht in eine dieser Schubladen und spreche vermutlich denen aus der Seele, die sich eben nicht kategorisieren lassen wollen. Nach dieser Analyse wäre ich die »One-Man-Show« mit erstklassigem Netzwerk (www.diegebrauchsgrafiker.net) und Hang zur  jungdynamischen »Koryphäe«, irgendwo zwischen »Designbüro« und »kleiner Werbeagentur«. Eben ein ganz spezieller Generalist, wie ich mich selbst gern und selbstironisch bezeichne.

Das Buch, erschienen im Werkstoff Verlag, in Kooperation mit dem BDG Berufsverband der Deutschen Kommunikationsdesigner e. V., richtet sich an Auftraggeber und gibt einen nicht immer ganz bierernsten Überblick der Protagonisten im Kommunikationsdesign, der Stärken, Schwächen, Chancen und eben auch Risiken. Selbstverständlich ist da aus meiner Sicht noch Platz für die eine oder andere Schublade. Und der »Crowd-Sourcing-Plattform« hätte ich eben gerade nicht eine solche gegeben. Aber, unsere treuen Leser wissen spätestens seit der Remy’schen Wortschöpfung »Crowdsoßing« und meinem Blogbeitrag zum Thema, was von solchen wieselflinken Billigheimern zu erwarten ist. Im Buch munkelt man allerdings, es gäbe auch seriöse Anbieter.

Fehlen darf natürlich auch nicht die »eierlegende Wollmilchsau«. Und auch, wenn sie noch nie jemand zu Gesicht bekommen haben soll. Es gibt sie. Da bin ich mir ganz sicher. Spätestens nach dieser Lektüre, die – last, but not least – ganz, ganz wunderbar von Frank Hoppmann illustriert ist.

Das Bestiarium
Unternehmenstypen im Kommunikationsdesign
12 1/2 SWOT-Analysen

von Jakob Maser
illustriert von Frank Hoppmann

erschienen im Werkstoff Verlag, Münster, 2014
Hardcover
125 Seiten inkl. Glossar
ISBN 978-3-943513-02-8
€ 19,95 inkl. 7% MwSt.

Nachtrag: Obwohl sich dieses Büchlein an Auftraggeber richtet, macht es auch für Kommunikationsdesigner durchaus Sinn, sich dieser Lektüre hinzugeben, um mit einem lachendem und einem weinenden Auge zu realisieren, wie das Gegenüber einen eventuell einordnet. Oder, man findet noch die eine oder andere Stellschrauber sich eindeutiger zu positionieren. Ob das Werk schon für Jungspunde, wie sie im Buche stehen, wirklich Sinn macht, kann ich nicht mehr wirklich beurteilen. Viel Spaß!

Schubladen

es geht nicht ohne

schubladen | foto | oliver schuh

schubladen | foto | oliver schuh

Seit langem brennt mir ein ungeschriebener Beitrag auf der Seele. Immer wieder lege ich ihn gedanklich beiseite und werde dann doch überall an ihn erinnert. Erst kürzlich wieder in den »sozialen« Netzwerken, wenn es wiedereinmal um »die« Agenturen oder um »die« Designer ging. Ich weiß schon gar nicht mehr in welchem Zusammenhang ich mich erdreistete zu behaupten »Agenturen kochen auch bloß mit Wasser«, aber vermutlich liegt es schlicht daran, daß es den wieselflinken Kommentatoren nicht um die Kernaussage oder dem Kausalzusammenhang, sondern einzig um die ernüchternd diskussionstötende Feststellung ging: »es gibt nicht DIE Agenturen«. Jede sei anders und man können nicht alle in einen Topf schmeißen.

Doch.

Es geht gar nicht anders. Ob man will oder nicht. Unwillkürlich wird man in jeder Diskussion über eine größere Personengruppe, Branche, Neigung, Schicht, Geschlecht, Religion, Nationalität oder auch Markenfetisch, eine Kategorisierung vornehmen. Je größer die Gruppe oder der Abstand, desto pauschaler vermutlich die Einordnung. Natürlich gibt dies niemand gern zu. Wer möchte schon des Schubladendenkens bezichtigt werden?

Ich.

Es ist schlicht mein Job in Schubladen zu denken. Ich bin selbständiger Gebrauchsgrafiker. Da wähle ich nicht nur meine Auftraggeber nach bestimmten Kriterien aus, sondern es gehört schlicht zum Handwerkszeug die Empfänger meiner Arbeiten einzuordnen. Zielgruppenorientiert, wie es so schön heißt. Mehr noch, ich muß für Projekte mit mehreren Beteiligten nach unterschiedlichsten Kriterien auswählen, wer oder was zusammenpasst oder richtig ist für den jeweiligen Job, Auftraggeber oder Empfänger. Und auch wenn da in der Hauptsache das Bauchgefühl eine ganz große Rolle spielt, unwillkürlich, aber auch ganz bewußt, wird man im Sinne eines ordentlichen Ergebnisses in Kategorien denken.

Oh, da ist es schon wieder. Ich korrigiere im vorauseilendem Gehorsam: ICH denke im Sinne eines ordentlichen Ergebnisses in Kategorien. Und nein, es ist mir nicht egal, ob andere es auch so machen oder eben nicht. Ich wünschte mir, alle Kollegen und Kolleginnen könnte ich diesbezüglich in eine Schublade stecken, dann wären wir, was die Vermeidung von Streuverlusten angeht, einen deutlichen Schritt weiter. Natürlich weiß ich, daß auch in diesem positiven Fall, leider viel zu viele nicht richtig einsortiert wären. Im Klartext: Nicht jeder »Designer« schafft es in meine Schublade professioneller Kollegen und Kolleginnen, denen ich das zielgerichtete Denken und Handeln unterstelle. Das nenne ich positives Schubladendenken.

Streng genommen ist Schubladendenken bezogen auf die Konzeption auch ein Rollentausch. Ist die Zielgruppe (Schublade) definiert, schlüpft man – nein, ich – hinein und betrachte die Dinge aus eben dieser Warte.

Spezialisierung. Auch so ein Fächlein innerhalb des großen Designerbauchladens. Aber nur wer genauer hinschaut, näher rangeht und/oder vom Fach ist, wird die Unterschiede feststellen. Je weiter weg, desto unschärfer die Konturen oder gar Nuancen. Deshalb macht es auch überhaupt keinen Sinn, Aufträge auf Designplattformen auszuloben und alle mal machen zu lassen. Viel besser wäre eben näher ran zu gehen. Genau hinzuschauen. Herauszufinden, wer worfür am besten geeignet erscheint. Nie im Leben würde ich auf die Idee kommen wahllos einen Auftrag in den großen Pool kreativer Kollegen und Kolleginnen zu werfen. Damit werde ich niemandem gerecht. Weder den Mitstreitern, den Auftraggebern, den Empfängern oder der Sache.

Aber zurück zu den persönlichen Eitelkeiten. Genau. Eitelkeiten. Kürzlich las ich auf Design made in Germany den hervorragenden Artikel »Wir sind gestört. Zur Lage der Designer in Deutschland.« von Christian Büning, damals noch Präsident, jetzt Vize des BDG – Berufsverband der Deutschen Kommunikationsdesigner e.V.. Darin hat er, wie ich finde, trefflich das Selbstbild und die sich wandelnden Umstände aller Designer Deutschlands umschrieben. Zack.

Geht ja man gaaaaar nicht.

Kaum gepostet, kritisiert und kommentiert Delia Valentina Fröhlich – Kommunikationsdesign-Absolventin der HTW Berlin – an ganz anderer Stelle den Artikel von Christian Büning und ist ganz vehement und offenbar gar nicht einverstanden mit dem Schubladendenken des Autors. Dieser, wie ich aus eigener positiver Erfahrung weiß, sehr gesprächsbereite Vertreter unserer Zunft, läßt sich nicht lumpen und lädt die streitbare Delia Valentina Fröhlich zu einem Gastbeitrag auf den BDG eigenen Blog ein. Und so tat sie es auch: »Wir Designer. Gastbeitrag von Delia Valentina Fröhlich.« Aus der ursprünglichen Kritik ist dann eher eine Ergänzung geworden.

Selbstverständlich ist Kritik legitim und jeder kann es alles natürlich ganz anders sehen. Mein erster, aber auch letzter Impuls war allerdings: der Gastbeitrag unterstreicht geradezu, wie wichtig und richtig der offene, selbstkritische Blick und die Einordnung unserer Zunft durch Christian Büning war. Man mag vielleicht den einen oder anderen Halbsatz anders sehen, der Tenor ist aber richtig und beschreibt die Wandlung und die einhergehenden Zwiespältigkeiten heutiger Designer. Jung, wie älter.
Selten genug lese ich solch treffende Beschreibung von einem »Funktionär« (in des Wortes positivster Bedeutung). Und wie sollte man wohl einen Berufsverband im Sinne seiner Mitglieder – in diesem Falle eben Kommunikationsdesigner – lenken, wenn man nicht die einenden Eigenschaften oder Schnittmengen kennt oder benennen darf? Dies ist augenscheinlich wohl kaum möglich.

Allen, die es anders sehen, gebe ich den Tipp, mal eine zeitlang ohne ihren »Titel« Kommunikationsdesigner, meist gekürzt auf Designer, auf dem Markt der Eitelkeiten zu wandeln. Vermutlich ist es eine zeitlang ganz sexy und geheimnisvoll nicht eingeordnet werden zu können. Spätestens wenn die Aufträge mangels Positionierung ausbleiben, wird man dann wohl aber doch gewahr, daß Auftraggeber – ganz nachvollziehbar – gern die richtigen Schubladen ziehen, um sich bestimmten Dienstleistern anzuvertrauen.

Vielleicht erzähle ich beim nächsten Mal dann, warum es vermutlich lange vor Erfindung der Schublade wichtig war, in Kategorien zu unterscheiden.
Und wenn Ihr mögt, sortiert mich.

Letterpress im FEDRIGONI Showroom …

… da lacht das Gebrauchsgrafikerherz

Es ist immer ein sehr schönes Erlebnis zu einer der ausgesuchten Veranstaltungen in den FEDRIGONI Showroom Hamburg eingeladen zu werden. Optisch, haptisch, kulinarisch und auch menschlich. Und ja, es war mir wieder eine Ehre. Zum einen, weil solche Events naturgemäß nur im kleineren Rahmen stattfinden können, aber zum anderen auch, weil man sehr bewußt zu ganz bestimmten Themen eingeladen wird, die einen wirklich interessieren und zu denen man auch beitragen kann. Eine wunderbare Wertschätzung.

letterpress | foto | oliver schuh

letterpress | foto | oliver schuh

Letterpress! Der Videovortrag mit vielen Exponaten zum Anfassen von Gerrit Baumann und seinem Officina Polychroma in Hamburg, erinnert an die Zeiten, als ich noch mein Atelier neben einer Druckerei hatte und den Heidelberger Tiegel wie den Herzschlag eines Menschen stampfen hören und fühlen konnte. Das weckt Sehnsüchte nach detailverliebter, traditioneller Handwerkskunst und der Wertschätzung im Umgang mit Papier. Nicht palettenweise und auch nicht von der Rolle, sondern Bogen für Bogen – entschleunigt.

oliver schuh beim haptischen genuß | foto | nadien seemann

oliver schuh (li.) beim haptischen genuß | foto | nadien seemann

Faszinierend aber auch, wie ein jahrhunderte altes Verfahren, nämlich der Buchdruck, eine gewisse Renaissance erlebt. Faszinierend erschreckend aber auch die Fragen aus dem Publikum zur Vermarktung und den Druckkapazitäten des vergleichweise langsamen Heidelberger Tiegels. Dass der Hochdruck an sich und bei den Agentur-Youngsters vermutlich bald sogar der Offset-Druck, nicht mehr zum Rüstzeug gehören, sondern einzig das WYSIWYG am Monitor zu zählen scheint, ist fast zu erahnen. Umso schöner, wenn es noch alte Haudegen gibt und ihnen durch FEDRIGONI eine Bühne gegeben wird. Wunderbar.

 

Kreative fordern Designkammer

Designer fühlen sich nicht ernst genommen und sagen jetzt: Schluß mit lustig.

kreative fordern designkammer | grafik | oliver schuh

kreative fordern designkammer | grafik | oliver schuh

Während es immer mal wieder vereinzelt Klagen von Mitgliedern anderer Berufsgruppen gegen die Zwangsmitgliedschaft in einer Kammer gibt, denken Kommunikationsdesigner und Gebrauchsgrafiker laut über die Bildung einer Designkammer nach. So auch am virtuellen »Lagerfeuer« in der XING Gruppe »die gebrauchsgrafiker«. Dort zermartern sich neben klugen Denkern der Designszene, der BDG Präsident Christian Büning und das ehemalige AGD Vorstandsmitglied Oliver Schuh, die Köpfe zum Ah und Weh der kreativen Zünfte. Dabei steht der Organisationsgrad der Gestalter auf dem Prüfstand. Die Größenordnungen der etablierten Berufsverbände erreicht da höchstens Taubenzüchterverbandsdimensionen und bildet damit nicht im entferntesten alle am Markt vegetierenden Designer ab. Christian Büning wirbt dabei unablässig für die Mitgliedschaft im Berufsverband, während Oliver Schuh seine Erfahrungen als Verbands- und Vorstandsmitglied bereits gemacht hat und zu dem Schluß kommt: man muß das wieselflinke Designerlein zu seinem Glück zwingen.

Für sich, für die Gesellschaft und für die Umwelt.

 

 

FEDRIGONI & LEICA in Harmonie

»The Paper Skin« – vollendeter Papiergenuß

Wenn Qualitätsprodukte eine Symbiose eingehen, dann kommt ein Hochgenuß heraus. Dazu noch so wunderbar verfilmt.
Ok, der 50zigste ist noch ein wenig hin… ;-)

Letterfontäne ll

Exzellente Letteratur für den Schüler und den Meister

Seit letztem Sommer liegt die aktuelle Ausgabe von Letterfontäne immer in greifbarer Nähe. Und seit letztem Sommer hatte ich angekündigt meinen Eindruck zu diesem Werk über die Entstehung und den Umgang mit Typografie hier niederzuschreiben. Gar nicht so einfach diesem wunderbaren Buch gerecht zu werden. Quasi die überwältigende Sprachlosigkeit. Jetzt – nach dreimaligem Durcharbeiten – das Fazit vorweg: Dieses Typografie Werk von Joep Pohlen gehört in jede Bibliothek von Menschen und Institutionen die mit Schrift umgehen, den Umgang mit ihr lehren oder das Wissen um Typografie vertiefen wollen. Gleichsam Geschichtsbuch, Lehrbuch, Nachschlagewerk und Schriftmusterbuch in einem. Ein Buch für den Schüler und den Meister. Prädikat: wertvoll!

letterfontäne | foto | olli schuh

letterfontäne | foto | olli schuh

Bereits die Ausgabe von 1996, mit seinem kompakten Wissen und zu einem »democratischen Preis«, hat mich frohlocken lassen und mich zu einem Loblied veranlaßt: Exzellente Letteratur!

Die aktuelle Ausgabe ist aber viel mehr. Nicht nur vom tatsächlichen Seitenumfang, sondern eben auch inhaltlich. Der Entwicklung der Schrift bis hin zum Druck mit Lettern, die technischen, gesellschaftlichen oder künstlerischen Einflüsse erhalten ausführliche Beachtung und Betrachtung. Der Schriftmusterteil ist etwas kompakter geworden. Dafür sind Alternativvergleiche auf der Suche nach dem passenden Font hinzugekommen. Der Umgang und Einsatz von Schrift, Typografieentwurf, Satzgestaltung bis hin zu Detailtypografie werden vermittelt ohne in Stein gemeisselte Rezepte zu liefern, sondern um anzuregen und zu sensibilisieren.

Der Anatomie und Ästhetik von Buchstaben und Fonts sind große Teile gewidmet, durchziehen aber immer wieder alle Bereiche des Buches.

Wem dies nicht genug ist, der findet in der sehr umfangreichen Bibliografie, die Werke, aus denen der Autor Joep Pohlen sein Wissen schöpft. Diejenigen Titel, die Letterfontäne überdurchschnittlich beeinflusst haben, sind dabei rot herausgestellt. [Ich wäre noch glücklicher, könnte ich behaupten nur ein Zehntel dieser feinen Bibliothek zu kennen oder gar zu besitzen.]

Sehr umfangreich sind auch die Indexe zu Schriften, Schriftenentwerfer und Schriftenverlage. Im Glossar werden auch allgemein in der Typografie verwendete Begriffe besprochen, die ansonsten nicht im Buch vorkommen. Die im Buch verwendeten Begriffe finden sich im Allgemeinen Index.

letterfontäne | foto | olli schuh

letterfontäne | foto | olli schuh

Dieses Buch liest sich einerseits wie ein historischer Tatsachenroman der Typografie. Andererseits fesselt es einen sofort an jeder x-beliebigen Stelle, egal welche Seite man aufschlägt. Vermutlich fixt es mich auch deshalb so an, weil ich von Haus aus die Entwicklung vom Bleisatz, über den Fotosatz, bis hin zur Digitalisierung von Schriften hautnah und praktisch miterlebt habe.

Es bekommt einen Ehrenplatz in meiner kleinen Sammlung. Besten Dank, lieber Joep Pohlen und Geert Setola (der dem Autor tatkräftig zur Seite stand)!

Letterfontäne – Anatomie der Schrift
Joep Pohlen
Hardcover, Halbleinen, drei farbige Lesebändchen, 16,8 x 24 cm, 640 Seiten
Inkl. Typometer
Website: http://www.letterfountain.com/DE/indexD.html

Verlag TASCHEN
ISBN 978-3-8365-2510-7
€ 49,99

Anmerkung zum Schluß: Auf die Frage von Joep Pohlen, wer dieses Buch in Deutschland verlegen könnte (die vorherige Ausgabe erschien im niederländischen Verlag FONTANA), empfahl und vermittelte ich damals ungesehen den Verlag Hermann Schmidt | Mainz. Umso erstaunlicher das Erscheinen im Verlag TASCHEN, den ich bis dato anders positioniert sah.

 

Schöpfungshöhe ade!

Fast unbemerkt verabschiedet sich der zweifelhafte Maßstab Schöpfungs- oder auch Gestaltungshöhe

Eine Hürde für die Schutzfähigkeit laut Urheberrechtsgesetz UrhG in der angewandten Kunst, war bisher die Gestaltungshöhe. Damit fallen die höheren Anforderungen gegenüber zweckfreier Kunst weg.

So heißt es bereits Ende letzten Jahres in der Legal Tribune ONLINE:

»Der BGH hat am Mittwoch entschieden, dass an den Urheberrechtschutz von Werken der angewandten Kunst grundsätzlich keine höheren Anforderungen zu stellen sind als an den von Werken der zweckfreien Kunst. Die Karlsruher Richter geben damit ihre bisherige Rechtsprechung auf, wonach Werke der angewandten Kunst eine besondere Gestaltungshöhe aufweisen mussten, um Schutz nach dem UrhG zu genießen.«

Zum ganzen Artikel: BGH zu angewandter Kunst: Urheberrechtsschutz für Geburtstagszug. In: Legal Tribune ONLINE, 13.11.2013,  http://www.lto.de/persistent/a_id/10029/ (abgerufen am 20.01.2014)

Ein, wie ich finde, löbliches und wegweisendes Urteil, welches auch vielen Grafik-Designern aus dem Herzen sprechen müsste. Sicher bin ich mir da allerdings nicht, denn mir ist diesbezüglich kaum Reaktion zu diesem Thema aufgefallen. Allenfalls scheint es nur zu einer Randnotiz zu reichen. Dabei ist es ein weiterer Schritt in Richtung Gleichstellung kreativer Branchen. Darüberhinaus wird es Auftragnehmern wie Auftraggebern eine größere Rechtssicherheit geben. Es wird wohl aber vermutlich noch ein Weilchen dauern, bevor dies bei den Kollegen angekommen ist.

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