Die Frage ist: »Crowdsourcing, Contests, Open Innovation – gut oder böse?«
Kürzlich habe ich wohl auf Twitter recht deutlich meine Haltung zu Plattformen geäußert, die sich das im Titel genannte Crowdsourcing zu eigen gemacht haben, indem ich es schlichtweg für Crowdsoßing erklärte. Crowdsoßing ist dabei eine sehr treffende Wortschöpfung des Texters, Autors und Konzeptioners Volker Remy, gelesen in seinem empfehlenswerten Buch »Der Imperator im Damensattel – Dein täglicher Triumph«.
Offenbar löste dies bei Karin Janner die Idee zu einer Blogparade »Crowdsourcing, Contests, Open Innovation – gut oder böse?« aus, zu der ich herzlich eingeladen wurde.
Der Einladung will ich nun gern folgen und meine drei bis acht Gedanken dazu beitragen. Dabei ist die Fragestellung von Karin Janner nicht so ohne weiteres und schon gar nicht endgültig und allgemein zu beantworten. Das plakative »gut oder böse« ist sicher nicht so schwarz/weiß gemeint, liefert doch Karin Janner selbst auch Antworten, die zeigen, daß es dazwischen noch etliche Grautöne gibt. Der Bogen der Fragestellung ist also sehr weit gespannt und ich werde mich bei meinen Ausführungen auf das Crowdsourcing in der Kreativbranche beschränken.
Crowdsourcing ist wie schlechte Küche – eben Crowdsoßing
Man stelle sich ein riesiges, leeres Restaurant vor. Ohne Kellner. Selbstbedienung. Ein Gast tritt ein und setzt sich. Er hat Hunger. Worauf er Appetit hat, weiß er allerdings nicht. Aber das Sattwerden ist ihm fünf Euro wert. Es gibt auch keine Karte und so klingelt er. In nullkommanichts öffnet sich die Schwingtür zur Großküche und eine nicht enden wollende Schar von wieselflinken Amateurköchen fährt eigene Kreationen auf. Jeder Möchtegernkoch trägt gleich fünf bis acht Gerichte vor, die Unterschiede sind marginal, der Inhalt undefinierbar, riechen verboten. Der Gast ist völlig überfordert, hunderte Teller direkt vor seiner Nase, er hat doch nur Hunger. Die Zeit ist knapp und so entscheidet er sich für ein fettes, paniertes Schnitzel, mit dickflüssiger Jägersauce und einem ordentlichen Klacks mörtelartigen Kartoffelmus. Das kennt er und da bekommt er ordentlich viel für sein Geld.
Ach ja, das Geld. Das Geld sackt der glückliche Amateurkoch ein. Zum ersten Mal. Bisher ging er immer leer aus. So, wie nun die anderen gefühlten hundert Mitstreiter. Sie machen auf dem Absatz kehrt, zurück in die Küche, vorbei an dem riesigen Müllcontainer. Ganz schlaue Hobbyköche aber werfen ihre individuelle Kreation nicht einfach weg, sondern bunkern im Kühlschrank für den nächsten Gast. Es gibt ja Mikrowelle.
Mittlerweile hat der Gast seine Mahlzeit fast verschlungen, als er bemerkt: Niemand ist da, der sich nach seiner Zufriedenheit erkundigt. Ach ja richtig, ist ja ohne Kellner. Mit dem letzten Bissen schnürrt sich plötzlich seine Kehle zu, im wird ganz heiß, kalter Schweiß schießt auf seine Stirn, er stürzt sich in den Waschraum, übergibt sich. Hätte er bloß an seine Soßenbinder-Allergie gedacht.
Mit säuerlich-kratzigem Geschmack und flauen, leeren Magen verläßt er das Etablissement, dreht sich noch einmal verstohlen um und liest: Last Food.
Nachtisch gefällig?
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[…] Schuh verpflanzt das Konzept des Crowdsourcing in ein Restaurant – und dieses kommt bei ihm gar nicht gut weg. Vielleicht liegt das aber auch daran, wie das […]
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Nun hatte ich ja eigentlich gedacht, es würde zur Blogparade von Karin Janner ein wenig Fahrt aufgenommen werden, schließlich wollte ich ja noch den Nachtisch kalt servieren. Und da sie ja bereits die meisten Für und Wider gleich mitgeliefert hatte, habe ich mich ja mit meinem Beitrag, zugegeben, polarisierend, aber eben auf ein Thema spezialisiert. Nämlich das Crowdsourcing auf Designerplattformen. Das muß wohl in der Eile dem Herrn Stefan Waidele entgangen sein. Und somit verpflanze ich eben nicht, wie er meint, das Crowdsourcing an sich in ein Restaurant, sondern das meist zu kurz gedachte Konzept einiger Designerplattformen, die sich den Crowdsourcing-Trend zu Nutze machen wollen.
Obwohl, zu kurz gedacht ist ja nicht ganz richtig. Für die Betreiber geht das Konzept ja auf, denn die Quelle der auf den Markt strömenden »Designer« und »Starter« wird vorerst nicht versiegen.
Von einem echten Crowdsourcing im besten Sinne des Wortes, kann aber bei derlei Konstrukten keine Rede sein. Zu einem gelungenen Crowdsourcing gehört schlußendlich eben auch mindestens ein kluger Kopf, der lenkt, bündelt, verwirft, widervorlegt, nachbessert, etc.. Auch ein Brainstorming ist nur so gut, wie sein Briefing, seine Teilnehmer, seine Ideen und eben, wie sein Lenker und Entscheider es zulassen. DAS allein ist eine Kunst für sich. Crowdsourcing ist im Grunde ein riesengroßes Brainstorming.
Betrachten wir, wer auf genannten Plattformen zusammentrifft, kann man vermutlich folgendes feststellen: finanzschwache »Auftraggeber« treffen auf auftragslose »Designer«. Mehr noch: Die Auftraggeber, die in ihrer Situation unbedingt professionelle Beratung benötigen, treffen auf Designer, die weder beraten, noch für sich selbst betriebswirtschaftlich denken können.
Not trifft auf Elend.
Die betriebswirtschaftlichen Strategien der Betreiber fussen allein auf »Masse, statt Klasse« und so empfiehlt man eben auch Preise, die fern ab jeder vernünftigen Kalkulation liegen. Das allein wäre dabei nicht einmal das Schlimmste. Wirklich schlimm ist es eben, daß sich Dutzende Menschen Hoffnung auf diese paar Pieselotten machen, aber nur einer und manchmal sogar keiner den faulen Fisch an Land zieht. Solcherlei Konstrukte führen Diskussionen um Fair Trade, Grundeinkommen, Wertschätzung, (Corporate) Social Responsibility und Nachhaltigkeit ad absurdum.
Um im Bild zu bleiben: Viele schlechte Köche verderben den Brei – Crowdsoßing eben.
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